Wertorientierte Priorisierung mit Cost of Delay, CD3 und WSJF


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Wenn Dein Softwareteam Zeit mit Multitasking und hoher Auslastung verschwendet, hilft Dir eine Bewertung auf Basis der „Cost of Delay“.

Überspitzt formuliert ist das Problem, dass nichts wichtig ist, wenn alles wichtig ist. Und so versenken wir lieber Zeit in viele kleine Teilarbeiten und Parallelarbeit, anstatt ehrlicher und klarer zu priorisieren. Und das bedeutet, auch „nein“ sagen zu können.

Dabei spreche ich noch nicht mal von kulturellen Schwierigkeiten rund um das Wörtchen „nein“. Vielleicht fehlen auch nur die Zahlen bzw. eine Bewertungsgrundlage, um fundiert nein sagen zu können.

Und hierfür helfen die beiden Methoden Cost of Delay Divided by Duration (CD3) und Weighted Shortest Job First (WSJF), um Entscheidungen auf Basis von wirtschaftlichem Wert und zeitlicher Effizienz zu treffen

Beide Ansätze setzen den erwarteten Nutzen eines Projekts oder eines Features in ein Verhältnis mit dem Aufwand, der für die Umsetzung nötig ist. Sie dienen somit als Methoden, um den in einem bestimmten Zeitraum erzielten Wert bei begrenzter Kapazität zu maximieren.

Was ist Cost of Delay Divided by Duration (CD3)?

CD3 ist eine quantitative Priorisierungsmethode, die zwei wesentliche Faktoren berücksichtigt:

  1. Cost of Delay (CoD): Der wirtschaftliche Wert, der pro Zeiteinheit verloren geht, wenn eine Funktion oder Aufgabe nicht umgesetzt wird.
  2. Duration: Die Zeitdauer, die für die Implementierung benötigt wird.

Die Formel lautet einfach:

CD3 = Cost of Delay / Duration

Die Methode basiert auf der Erkenntnis, dass die wirtschaftlich sinnvollste Reihenfolge für die Umsetzung von Funktionen nicht nur vom erwarteten Wert abhängt, sondern vom Verhältnis zwischen Wert und Zeit.

Items mit höherem CD3-Wert sollten somit höher priorisiert werden, da sie den größten wirtschaftlichen Nutzen pro aufgewendeter Zeiteinheit versprechen.

Komponenten der Cost of Delay

Was sind nun diese Kosten, die bei einer verzögerten Umsetzung entstehen können? Folgende Blickwinkel können helfen:

  • Kann der Umsatz gesteigert werden? Sollen z. B. neue Kunden gewonnen, neue Produkte eingeführt oder höhere Margen erzielt werden?
  • Kann bestehender Umsatz geschützt werden? Führen Verbesserungen z. B. dazu, die Konkurrenz auf Abstand zu halten oder eine Abwanderung von Kunden zu verhindern?
  • Können Kosten reduziert werden? Beispielsweise durch die Verringerung von Waste oder der Steigerung des Outcome bei gleichem Output.
  • Können Kosten vermieden werden? Dies ähnelt dem Ansatz der Kostenreduktion, geht jedoch in eine proaktive Richtung, um die Kosten gar nicht erst entstehen zu lassen.
  • Zusätzlich können auch Parameter infrage kommen, die weiter unten bei der WSJF-Methode beschrieben sind

Und die Summe dieser Komponenten ergibt dann die gesamte Cost of Delay.

Ermittlung der Cost of Delay

Für jedes zu bewertende Item, Feature oder Vorhaben muss die Cost of Delay bestimmt werden. Dies kann auf drei verschiedenen Wegen erfolgen:

  • Qualitative Methode: Verwendung relativer Werte (z. B. einer Fibonacci-Skala), wenn exakte Zahlen nicht verfügbar sind
  • Quantitative Methode: Berechnung des tatsächlichen finanziellen Impacts in Geldeinheiten pro Monat
  • Hybride Methode: Kombination aus quantitativen Daten und qualitativen Einschätzungen

Und wenn absolute Bewertungen schwerfallen, bleibt immer die Alternative einer vergleichenden Schätzung.

Schätzung der Duration

Die Duration bezieht sich auf die Zeit, die für die vollständige Implementierung eines Items benötigt wird. Diese kann in verschiedenen Einheiten gemessen werden. Drei Beispiele sind:

  • Umsetzungsaufwand in Tagen, Wochen oder Monaten
  • Abstrakte Einheiten
  • Ideale Personentage

Wichtig ist, dass die gleiche Einheit konsistent für alle Items verwendet wird und die Schätzung realistisch ist, einschließlich aller notwendigen Aktivitäten wie Entwicklung, Testing und Deployment.

Ein praktisches Beispiel für CD3

Betrachten wir diese vier verschiedenen Produkt-Features:

Feature Cost of Delay (€/Monat) Duration (Monate) CD3
Feature A 60.000 6 10.000
Feature B 30.000 2 15.000
Feature C 90.000 8 11.250
Feature D 20.000 1 20.000

Würden wir diese Features einfach in der Reihenfolge A-B-C-D abarbeiten, hätten wir eine hohe Cost of Delay. Das folgende Bild zeigt diese als die orangefarbene Fläche:

Cost of Delay bei Abarbeitung ohne Priorisierung

Basierend auf der CD3-Berechnung ergibt sich dagegen folgende Priorisierung:

  1. Feature D (CD3: 20.000)
  2. Feature B (CD3: 15.000)
  3. Feature C (CD3: 11.250)
  4. Feature A (CD3: 10.000)

Und dies verringert sichtbar unsere Cost of Delay:

Cost of Delay bei Abarbeitung mit Priorisierung

Obwohl Feature C den höchsten absoluten Cost of Delay hat, wird es aufgrund seiner längeren Implementierungsdauer niedriger priorisiert als Features D und B, die einen besseren Wert pro Zeiteinheit bieten.

Was ist Weighted Shortest Job First (WSJF)?

WSJF ist ein Priorisierungsmodell, das ursprünglich aus dem Scaled Agile Framework (SAFe) stammt. Die Grundidee basiert ebenso wie CD3 auf dem wirtschaftlichen Prinzip der Cost of Delay in Verbindung mit einer Jobgröße.

Die Kernformel lautet:

WSJF = Cost of Delay / Job Size

Die Methode ermöglicht es, Aufgaben nach dem höchsten wirtschaftlichen Wert pro Aufwandseinheit zu ordnen.

Cost of Delay aus Sicht der WSJF-Methode

Bei WSJF wird die Cost of Delay als Kombination aus drei Faktoren berechnet:

  1. Business Value: der wirtschaftliche Wert für das Unternehmen. Also der direkte finanzielle Nutzen, der durch die Umsetzung generiert wird, wie Umsatzsteigerungen oder Kosteneinsparungen.
  2. Time Criticality: die Dringlichkeit. Sprich die zeitliche Komponente, die angibt, wie schnell der Wert einer Funktion abnimmt, wenn sie nicht implementiert wird. Manche Funktionen verlieren ihren Wert exponentiell (z. B. saisonale Features), während andere ihren Wert linear oder stufenweise verlieren.
  3. Risk Reduction oder Opportunity Enablement: das Potenzial zur Risikominderung oder Erschließung neuer Möglichkeiten. Das ist der Wert, der durch die Reduzierung von Risiken oder die Erschließung neuer Möglichkeiten entsteht. Dies kann schwieriger zu quantifizieren sein, sollte aber in die Gesamtbewertung einfließen.

Auch hier bildet die Summe dieser Faktoren dann die gesamte Cost of Delay.

Bestimmung von Cost of Delay und Job Size bei WSJF

Beim Weighted Shortest Job First-Ansatz erfolgt die Schätzung der Cost of Delay und der Job Size stets relativ. Sprich: Die Bewertung erfolgt in einem vergleichenden Verfahren.

Die genutzte Skala kann dabei einfach von 1 bis 10 gehen (und je nach Menge der zu bewertenden Items erweitert werden) oder der Fibonacci-Reihe (1, 2, 3, 5, 8, 13, 21) folgen. Letzteres ermöglicht eine feinere Differenzierung bei niedrigeren Werten.

Ein praktisches Beispiel für WSJF

Stellen wir uns vor, ein Softwareteam hat folgende vier Features zu priorisieren:

Feature Business Value Time Criticality Risk Reduction CoD (Summe) Job Size WSJF
Feature A 8 5 3 16 5 3,2
Feature B 5 13 8 26 13 2,0
Feature C 3 3 5 11 3 3,7
Feature D 13 8 2 23 8 2,9

Basierend auf der WSJF-Berechnung würde die Priorisierung wie folgt aussehen:

  1. Feature C (WSJF: 3,7)
  2. Feature A (WSJF: 3,2)
  3. Feature D (WSJF: 2,9)
  4. Feature B (WSJF: 2,0)

Obwohl Feature B den zweithöchsten Cost of Delay aufweist, wird es aufgrund seiner hohen Job Size niedriger priorisiert als Features mit einem besseren Wert-Aufwand-Verhältnis.

Vorteile und Nachteile beider Ansätze

Sowohl CD3 als auch WSJF bieten ähnliche Vorteile:

  • Ökonomische Entscheidungsfindung: Die Methoden basieren auf wirtschaftlichen Prinzipien und unterstützen fundierte Geschäftsentscheidungen.
  • Quantifizierung von Verzögerungskosten: Die explizite Berechnung der Cost of Delay macht versteckte Kosten sichtbar und fördert ein Bewusstsein für die wirtschaftlichen Auswirkungen von Verzögerungen.
  • Objektive Entscheidungsfindung: Die Methoden reduzieren subjektive Einflüsse bei der Priorisierung, indem sie klare Bewertungskriterien etablieren.
  • Transparenz: Die strukturierte Bewertung macht den Priorisierungsprozess für alle Beteiligten nachvollziehbar.
  • Flexibilität: Die Methode kann auf verschiedene Arten von Arbeitselementen angewendet werden, von einzelnen User Stories bis hin zu großen Epics oder Projekten.
  • Optimierung des Wertstroms: Durch die Priorisierung von Features mit hohem Wert pro Zeiteinheit wird der Gesamtwert maximiert, der in einem bestimmten Zeitraum generiert wird.
  • Ausrichtung von Business und Entwicklung: Die Methoden schaffen eine gemeinsame Sprache zwischen Business-Stakeholdern und Entwicklungsteams und führen zu einem gemeinsamen Verständnis für Prioritäten.

Und beide Ansätze haben vergleichbare Nachteile:

  • Schwierigkeiten bei der Quantifizierung der Cost of Delay: Nicht alle Werte lassen sich leicht in Geldeinheiten ausdrücken oder überhaupt abschätzen.
  • Unsicherheiten bei der Schätzung der Duration bzw. Job Size: Wie bei allen Schätzungen kann es zu Ungenauigkeiten kommen.
  • Interdependenzen zwischen Features: Die Methoden berücksichtigen nicht automatisch Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Features.
  • Veränderliche Parameter: Sowohl Cost of Delay als auch Duration/ Job Size können sich im Laufe der Zeit ändern.
  • Subjektivität bei der Bewertung: Trotz des strukturierten Ansatzes bleibt ein gewisses Maß an Subjektivität. Um dies zu minimieren, sollten die Bewertungen im Team diskutiert und durch Daten untermauert werden.
  • Aufwand für die Bewertung: Die Bewertung aller Parameter für eine große Anzahl von Items kann zeitaufwendig sein. Es empfiehlt sich, die Methode primär für strategisch wichtige Entscheidungen einzusetzen.
  • Regelmäßige Überprüfung: Prioritäten können sich im Laufe der Zeit ändern. Eine regelmäßige Neubewertung stellt sicher, dass die Priorisierung stets aktuell bleibt.

Unterm Strich sind sowohl CD3 bzw. WSJF praktische Tools, um Vorhaben klarer zu priorisieren oder zu sortieren. Die Entscheidung für den einen oder anderen Ansatz steht und fällt mit Details wie der Bewertung der CoD und der Herangehensweise bei der Ermittlung der Parameterwerte.

Fazit

Sowohl CD3 als auch WSJF sind leistungsstarke Methoden zur Priorisierung in Softwareentwicklungsteams.

Durch die explizite Berücksichtigung der wirtschaftlichen Kosten von Verzögerungen und deren Verhältnis zur Implementierungsdauer ermöglichen sie datengestützte Entscheidungen, die den Wertbeitrag von Entwicklungsteams maximieren. Auch geben beide Ansätze Teams ein tieferes Verständnis für die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Arbeit.

Und beide Methoden sind natürlich nicht exakt.

Doch lieber ein leicht verständliches, nutzbares, wenn auch ungenaues Werkzeug als ein übermäßig komplexes mit mehr Genauigkeit.

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